Betteln im Advent Wie unterscheidet man zwischen Bedürftigen und Kriminellen?

Düsseldorf · Bettler gehören zum Bild einer jeden größeren Stadt in NRW. Besonders in der Weihnachtszeit wollen viele Menschen Gutes tun und Obdachlosen sowie Armen ein wenig Kleingeld geben. Was es dabei zu beachten gibt.

Vor allem in der Weihnachtszeit sind in Nordrhein-Westfalen viele Bettler unterwegs. (Symbolbild)

Foto: dpa/Boris Roessler

Ob in der Bahn, vor Supermärkten oder Cafés – gerade in der Vorweihnachtszeit bitten an jeder zweiten Straßenecke Obdachlose und verarmte Menschen um Kleingeld. Damit sind sie der sichtbare Beleg von Armut in der Gesellschaft und meist auf Hilfe angewiesen. Doch neben den Bedürftigen gibt es auch Betrüger: Jedes Jahr um diese Zeit kommen Bettelkolonnen aus Osteuropa nach Nordrhein-Westfalen und ziehen durch die Großstädte, um sich etwas dazuzuverdienen. Nicht selten sollen dahinter kriminelle Strukturen stecken. Doch wie kann man sie erkennen und was ist beim Spenden zu beachten, damit das Geld auch wirklich da ankommt, wo es ankommen soll?

Ist Betteln überhaupt erlaubt?

Betteln ist in Deutschland nicht verboten und das sogenannte „stille Betteln“ seit 1974 nicht mehr strafbar. Denn: Es stellt keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar und ist als Gemeingebrauch öffentlichen Verkehrsraums zu verstehen. Das „aggressive Betteln“ hingegen kann als Nötigung eingestuft und geahndet werden. Wenn also falsche Lebensumstände wie eine Behinderung oder eine verlorene Geldbörse vorgetäuscht werden, gelte das als Betrug und man könne eine Strafanzeige stellen, teilt die Caritas mit. Zudem können Kommunen bandenmäßiges oder organisiertes Betteln untersagen. „Wenn man durch das Betteln andere belästigt und aggressiv sowie aufdringlich auftritt, kann dagegen vorgegangen werden“, sagt Erich Rettinghaus, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in NRW.

Gibt es in NRW Hinweise auf Bettelkolonnen?

Besonders zur Weihnachtszeit findet man organisierte Bettelbanden aus Osteuropa – oft aus Rumänien – in den großen Städten im Ruhrgebiet und Rheinland. Das sei auch in diesem Jahr wieder der Fall. Die Hintermänner schicken bewusst alte Menschen sowie Menschen mit Behinderungen und Tieren auf die Straße. „Sie werden für Hungerlöhne angeheuert und müssen ihr gesammeltes Geld am Ende des Tages abgeben. Und auch die Tiere leben unter schlimmsten Bedingungen“, erklärt Rettinghaus. Das Mitleid der Passanten werde auf perfide Weise ausgenutzt, nicht selten komme es zu Diebstählen von Wertgegenständen. „Das ist sehr schade. Die Bedürftigen, die auf Hilfe angewiesen sind, fallen so durchs Netz.“

Wie können Passanten kriminelle Banden erkennen?

Das gestaltet sich schwierig: In den meisten Fällen ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, ob jemand wirklich arm oder obdachlos ist. Auch Hinweise auf soziale Not wie Straßenmagazine werden heutzutage von Bettelkolonnen gefälscht und sind kaum vom Original zu unterscheiden. „Wer einen Verdacht hat, kann versuchen, mit der Person ein Gespräch zu führen. Die meisten Bettler aus Osteuropa sprechen kein Deutsch und reagieren abweisend“, sagt Rettinghaus. Das sei aber keine Garantie, weshalb es auch für Ordnungsämter schwer sei, die kriminellen Strukturen zu zerschlagen und nachzuweisen. „Es gibt dann Handlungsspielraum, wenn sich jemand aggressiv und auffällig verhält.“

Sollte man Bettlern trotzdem etwas geben?

Rettinghaus weist darauf hin, dass zwischen bettelnden Obdachlosen und den Angehörigen von Bettelkolonnen unterschieden werden müsse. „Man darf nicht pauschalisieren. Das Betteln auf der Straße nimmt zu – darunter sind auch immer mehr obdachlose Frauen“, sagt er. Es sei also eine intuitive Entscheidung, ob man jemandem guten Gewissens Geld geben kann oder doch ein mulmiges Gefühl hat. Wer sich unsicher sein sollte, könne dennoch etwas Gutes tun und Organisationen und Vereine unterstützen, die sich um Menschen in Not kümmern. Dazu gehören zum Beispiel die Caritas, Diakonien, Suppenküchen und Obdachlosen-Vereine. „Das hilft den armen und obdachlosen Menschen gerade in den Wintermonaten sehr.“

Was sagen die Obdachloseninitiativen?

Laut der Düsseldorfer Obdachloseninitiative „fiftyfifty“ ist der Begriff „organisierte Bettelbanden“ veraltet und problematisch. „Die Armut und Wohnungslosenszene hat sich im Laufe der Jahre verändert. Viele verarmte Menschen kommen nach Deutschland, um ihrer Ausweglosigkeit in ihrem Heimatland zu entkommen“, sagt Johannes Dörrenbächer von „fiftyfifty“. Sie stammen oft aus Rumänien und seien in Familien strukturiert, die sich untereinander unterstützen. „Sie sammeln, verwalten und geben das Geld gemeinsam aus. Das mag für viele wie organisierte Kriminalität aussehen, ist es in den meisten Fällen aber nicht“, sagt Dörrenbächer. Dennoch: Gerade um die Weihnachtszeit reisen mehr Menschen aus Osteuropa nach NRW, nur um von dem Weihnachtsgeschäft zu profitieren. „Das ist ein Problem für uns, da sie sich hier keinen langfristigen Kundenstamm aufbauen möchten und wir sie deshalb schlecht miteinbeziehen können. Das führt auch dazu, dass manche von ihnen Unfug mit unseren Zeitungen anstellen, um Spenden mitzunehmen.“

  • Fiftyfifty